Bimbo's Blog

30 Oktober 2006

Xi'an, das achte Weltwunder?

Mit Superlativen sind die Chinesen ja schnell bei der Hand und so prangte auch in Xi'an ein großes Plakat, auf dem die ausgegrabenenTerrakotta-Krieger als das achte Weltwunder gepriesen werden. Nun, ich muss sagen, ganz so weit daneben liegen sie damit nicht. Es war schon wirklich beeindruckend, als ich diesem Heer von Ton-Kriegern am Samstag gegenüber stand. Das Ausgrabungsgelände ist mittlerweile eine voll ausgebaute Touristenattraktion mit Panorama-Kinosaal und drei riesigen Hallen, mit denen die verschiedenen Ausgrabungsfelder überdacht sind. Vor allem bei dem Gedanken, dass ja ein Großteil der tönernen Figuren ca. 200 Jahre nach deren Errichtung mutwillig zerstört wurde und wie das ganze aussehen würde, wenn diese törichte Tat nicht begangen worden wär, ist man einfach überwältigt. Es ist auch sehr gut zu sehen, dass ca. 2/3 der Figuren bzw. das was von ihnen übrig ist, noch gar nicht ausgegraben wurde. Da gibt es noch eine Unmenge zu tun. Ich vermute, man will erst warten bis die wissenschaftliche Methodik so weit ist, dass eine nahezu zerstörungsfreie Restauration möglich ist.
Die Rückfahrt aus dem ca. 50 Kilometer von Xi'an entfernten Ausstellungsgelände hatte etwas extrem abenteuerliches. Da unser Busfahrer einen Stau auf der Autobahn umfahren wollte, ist er mit uns durchs Hinterland gefahren. Und das sah manchmal wirklich erschreckend aus. Schmutz, Staub, halb verfallene Hütten und mittendrin leben Menschen. Die andere Seite Chinas.
Bevor wir den Samstag abend bei einer Flasche Rotwein haben ausklingen lassen sind wir erst noch über den Islam-Basar gelaufen. In Xi'an ist die größte moslemische Gemeinde Chinas zu Hause. Ca. 60.000 Moslems leben hier und man hatte als Tourist den Eindruck, als wenn sie in ihrer Religionsausübung nicht eingeschränkt werden.
Am Sonntag zeigte sich der Himmel leider nicht mehr von seiner sonnigen Seite. Aber diese Mischung aus Dunst, einer fahlen Sonne und einer fast menschenleere Stadtmauer schaffte genau die richtige Stimmung für einen Spaziergang auf der Krone dieser hervorragend restaurierten Sehenswürdigkeit von deren Süd- zum Westtor. Auf der äußeren Seite der Mauer sind schöne Parks angelegt, in denen sich die Chinesen am Sonntag vormittag mit Gymnastik, Singen, Federball und anderen Dingen die Zeit vertrieben. Also kurz und knapp: Xi'an ist auf jeden Fall eine Reise wert.

25 Oktober 2006

Goodbye, Rabbit!

Kennt jemand das Gefühl aus Kindertagen, wenn man aus dem Ferienlager zurück gekommen ist? Erst hat man sich schwer getan, dann doch Freunde gefunden und mit ihnen viel Spaß gehabt. Und ruck-zuck sind die zwei Wochen vorbei und man ist wieder zu Hause. Dann umgibt einem plötzlich eine unsagbare Leere und man wünscht sich in die Geborgenheit des Ferienlagers zurück. Und das schlimmste ist, ganz tief drin weiß man, dass ma die Kurzzeit-Freunde sowieso nicht wiedersehen wird. Und genau so fühlte ich mich, nachdem ich gestern abend den letzten der vier "Rabbit"-Romane aus der Hand gelegt habe und nachdem ich ein letztes Mal verstohlen das Taschentuch in die Hosentasche gesteckt habe. Ich habe mir zwar schon oft vorgenommen, Bücher, die mich im wahrsten Sinne des Wortes geschafft haben, irgendwann wieder zu lesen und es ist nie was draus geworden, aber ich bin mir 100%ig sicher, dass ich "Rabbit" nochmal lesen werde. Und eine kleine Freude gibt es ja noch. Es gibt noch "Rabbits Rückkehr". Ein weiterer Roman von John Updike, der ca. 10 Jahre nach "Rabbits" Tod spielt und in dem ich die anderen Hauptakteuere wiedersehen werde. Ist schon bei amazon gekauft und wenn ich ihn hier in Wuhan lese wird er fast um die ganze Erde gereist sein.
Guter Übergang zum nächsten Highlight. Nur noch knapp 2 Wochen und ich werde mich mit meiner Frau Marion und meinem Sohn Carsten in Chigago treffen. Dann haben wir knapp 2 Wochen USA vor uns. Langsam steigt die Anspannung doch. Da trifft es sich gut, dass ich kommendes Wochenende mit einem Kollegen nach Xi'an fliege, die alte chinesische Kaiserstadt, wo man in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts die Terrakotta-Armee ausgegraben hat. Dann vergeht die Zeit noch schneller.
Übrigens, meine erste kleine gesundheitliche Krise habe ich hoffentlich gut überstanden.

17 Oktober 2006

Im Banne von John Updike

Die "Rabbit"-Reihe von John Updike hat mich fest im Griff. Von den vier (oder eigentlich fünf) Romanen dieser Reihe über Harald Angstrom habe ich mittlerweile drei verschlungen und kann gar nicht abwarten, den vierten Teil zu lesen. John Updike beschreibt in diesen Romanen die Lebensabschnitte von Harald Angstrom und seiner Frau Janice, immer im Abstand von ca. 10 Jahren. Mit welcher wortgewaltigen und bildhaften Sprache er versteht auch simple Sachverhalte zu beschreiben ist einfach einzigartig. Und man bekommt ein Menge über das Leben der US-amerikanischen Mittelschicht zu erfahren. Die Romane fesseln mich so, dass ich davon träume und am Wochenende meinen Tagesablauf so einrichte, damit ja genügend Zeit zum lesen bleibt. Und ich erwische mich dabei, wie ich im Lift oder im Bus auf dem Weg ins Office an eine Episode aus den Romanen denken muss. Ich will jetzt aufhören zu schwärmen, aber ich glaube ich kann sagen, diese "Rabbit"-Romane gehören zu dem Besten, was ich bisher gelesen habe.
Was gibt es sonst noch zu berichten? Nicht viel Neues, es hat sich wirklich alles richtig eingeschliffen. Am Samstag war ich mit einem erst seit kurzen in unserem Wuhaner Team arbeitenden Kollegen auf dem Mo Shan, einem Hügel am East Lake mit viel Kultur. Wir leisteten uns den Luxus eines Privat-Guides, einer jungen Chinesin, mit der wir auf einem kleinen Elektro-Bus durch die Gegend gefahren sind und die uns die Sehenswürdigkiten gezeigt und etwas zur Geschichte erzählt hat.In Deutschland würde man das wohl als Naherholungsgebiet bezeichnen. Sehr angenehm und entspannend. Und das alles bei warmen knapp dreißig Grad. Heute hat es dafür den ganzen Tag geregnet, aber wenn man nur im Büro sitzt ist das auch egal.

09 Oktober 2006

Der Mond ist essbar!

Schon seit Anfang September habe ich mich gewundert, was die Chinesen in diesen bunten Kartons aus den Kaufhäusern und Lebensmittel-Supermärkten nach Hause schleppen. Bis mich unser chinesische Kollege aufklärte: es waren alles Mondkuchen. Nein, ich habe mich nicht verschrieben. Es handelt sich wirklich um Mondkuchen und nicht um Mohnkuchen, wie ich fälschlicherweise auch erst verstanden habe.Der Mondkuchen wird aus Anlaß des Mondfestes in riesengroßen Mengen verkauft und ich bin mir nicht sicher ob er auch in diesen Mengen verspeist wird. Im Alltag der Chinesen spielt der Mandkalender noch eine große Rolle. Die schönste Nacht des Mondes nach dem traditionellen Kalender ist die, die den fünfzehnten Tag des achten Mondes beschließt. Dann ist der Mond am weitesten von der Erde entfernt und die Chinesen begehen ihr Mondfest. Traditionell haben die zu Ehren dieses Tages hergestellten süßen Küchlein eine Füllung aus Zucker und Lotussamen oder Paste aus grünen Bohnen. Mittlereweile gilt aber das Überraschungs-Ei-Prinzip. Im Prinzip sind alle Zutaten erlaubt. Die gehen heutzutage von Nüssen, Datteln, Vanilleeis bis hin zu Kaffee, Schinken oder Speck. Das Mondfest ist natürlich auch ein Familienfest und oft ist es eines der wenigen Gelegenheiten, zu der sich die ganze Familie zusammen findet. Um uns Ausländer ein wenig darüber hinwegzutrösten, dass wir nicht bei unseren Familien sein können, lud uns unser Projektleiter letzten Donnderstag zum Festmahl in ein chickes Restaurant ein. Und natürlich gab es auch Mondkuchen. Ich muss sagen, ich habe mir den Geschmack der Mondkuchen mit grüner-Bohnen-Füllung schlimmer vorgestellt. Wir saßen um einen riesigen runden Tisch mit einem Durchmessen von sicherlich 5 Metern in dessen Mitte sich eine motorgetriebene Glasplatte langsam drehte. Auf dieser wurden dann ausgewählte Delikatessen serviert. Nur vom Besten. Dazu obligatorischen Reis-Schnaps und chinesischen Rotwein - auch ganz ok. Angestoßen wurde natürlich mit dem Trinkspruch "gan bei". Wörtlich heißt gan bei das Glas trocknen, und das ist auch so gemeint - kein Tröpchen darf übrig bleiben. In einem guten Buch über China habe ich folgenden Satz gelesen: "Es ist ein Trinkspruch, der eigentlich die Konstitution eines US-Marines, mindestens aber eines CSU-Ortsvereinsvorsitzenden voraussetzt." (Haha!) Erst wird laut gan bei gerufe, dann wird der Inhalt des Glases bis zum letzten Tropfen herunter gestürzt unf als Beweis, dass es wirklich leer ist, hält man sich das leere Glas gegenseitig vor die Nase. Zum Glück waren die an diesem Abend verwendeten Schnapsgläser relativ klein. Trotzdem wurde mir nach fünf- oder sechmal gan bei doch etwas - naja, ihr wisst. Der Heimweg sollte eigentlich mit dem bereitstehenden Bus absolviert werden. Leider sind wir nur ca. 200 Meter weit gekommen. Dann ging nichts mehr. Die Straßen waren von Autos und Menschen total blockiert. Es stellte sich heraus, dass die vielen Chinesen jedes Alters auf die Vorbeifahrt der Flotte mit den bunten und leuchtenden Wagen wartete.
Nun ist die Herbstfestival-Woche zu Ende und alles geht wieder seinen gewohnten Gang, die Straßen sind wieder brechend voll und der Verkehr so chaotisch wie zuvor.
P.S. Neue Bilder gibt es auch wieder!

01 Oktober 2006

Chaos und Ausnahmezustand in Wuhan

Na ja, vielleicht ist es etwas übertrieben, aber für jemanden, der so etwas der erste Mal erlebt, hat es zeitweise beängstigende Züge angenommen. Aber der Reihe nach.
Dieses Jahr wurde das Wuhaner Oktoberfest zum 4. mal vom Holliday-Inn veranstaltet. Für umgerechnet 25 Euro gab es ein wirklich reichhaltiges Büffet mit typisch deutschen Speisen (natürlich Schweinshaxe und Weißwurst, aber auch Rindsroulade) und Bier bis zum Umfallen. Wenn man weniger trinken wollte, blieb einem nichts anderes übrig, als sich das Glas vollgießen zu lassen und es so stehen zu lassen. Ein leeres Glas wurde unbarmherzig nachgefüllt. Jedem Tisch mit ca. 12 Personen war ein hübsches junges chinesisches Mädchen zugeteilt, das immer mit dem Bierkrug bereits stand. Und außerdem konnte man dem liebreizenden Ansinnen überhaupt nicht widerstehen. (hier klicken!) Von den Anwesenden waren ca. 85% Chinesen und der Rest halt keine. Die echt bayrische Kapelle heizte richtig ein und die Chinesen ließen sich nicht lange Bitten und sind gleich ausgeflippt. Polonaise und Ententanz müssen für die das Höchte an deutscher Ausgelassenheit sein. Sie waren alle wie aus dem Häuschen. Und wie das in China so ist, waren sie gegen 22:30 Uhr plötzlich alle wie vom Erdboden verschluckt. Während bereits das große Reinemachen einsetzte, setzte sich der Hotelmanager zu uns an den Tisch und das Bier nahm keine Ende.
Am Samstag dann ausspannen und sich auf den nächsten Höhepunkt am Sonntag vorbereiten, der da hieß 'Eröffnung des Herbstfestivals'. Trotz der vielen Informationen im Internet war nicht heraus zu bekommen, um welche Zeit denn nun der Höhepunkt auf der breiten und langen Promenade am Hankouer Ufer des Jangtze zu erwarten war. Also setzte ich mich schon mittags in Bewegung, lief die ca. 4 bis 5 Kilometer zur Fähre und setzte auf die Hankouer Seite über. Außer dass die Fähre sehr voll war und ich an die Berichte über überfüllte und untergegangene Fähren, die in der Vergangenheit aus Asien nach Europa drangen, denken musste, war alles normal. Auch auf der Promenade war es am frühen Nachmittag noch recht ruhig. Nachdem ich ein (relativ) ruhiges und schattiges Plätzchen gefunden hatte konnte ich meiner gegenwärtigen Leidenschaft frönen und John Updike's Serie über Harald Angström (Rabbit Hasenherz) weiter lesen. Dazu ein andernmal mehr. Nun, so gegen 17:00 Uhr merkte ich, dass die Menschen immer unruhiger wurden. Nicht weit von meiner Bank befand sich ein Einang zur Promenade, der mittlerweile geschlossen war. Man konnte jedoch auf der inneren Seite der Mauer auf den Dächern der an der Mauer befindlichen Lokalitäten spazieren gehen. Als ich von da oben auf die andere Seite der Mauer sah traute ich meinen Augen nicht. Die vielbefahrene Straße war inzwischen für den Verkehr gesperrt worden und vor dem Eingang zur Promenade drängte sich eine riesige Menschenmenge und forderte Einlaß. Aus irgendeinem Grund wurden sie nicht herein gelassen und die ohnmächtigen Ordner wurden durch Soldaten verstärkt. Ich dachte, es gäbe gleich einen Aufstand. Die Menge tobte und drückte in Wellen gegen das Gittertor, bis dann das Tor einen Meter geöffnet wurde und die Menschen langsam eingelassen wurden. Einmal drinnen, verflüchtigte sich ihre Aufregung in sekundenschnelle und sie verstreuten sich im Park. Ich konnt mir nur nicht erklären, was sie unbedingt auf der Promenade wollten. Es war überhaupt nichts los. Aber wahrscheinlich ist dabei sein alles. Die einzige Unterhaltung war eine Bühnenshow mit einigen chinesischen Schlagersternchen. Möglicherweise waren sie auch das Objekt der Begierde. Kurz vor 20:00 Uhr fing dann ein gewaltiges Feuerwerk an. Hier bewiesen die Chinesischen, dass sie wahre Meister in der Pyrotechnik sind. Der Himmel wurde zum Beispiel mit einer wahren Flut aus roten Sternen übergossen. Nicht nur die außergewöhnliche Qualität machte mich Staunen, auch die Länge des Feuerrausches überrachte mich. Das Spektakel dauerte nicht weniger als 35 Minuten. Wahnsinn!
Schon als das Feuerwerk augenscheinlich in den letzten Zügen lag machte ich mich auf den Weg zum Hauptausgang und mir strömten immer noch Menschenmassen entgegen. Als ich den Ausgang erreichte bot sich mir noch ein chaotischeres Bild als 2 Stunden zuvor. Immer noch Unmengen von Chinesen wollten auf die Promenade. An ein Herauskommen war nicht zu denken. Ich stellte mich an die Seite und beobachtete sprachlos das Geschehen. An den Eingängen standen jetzt nicht nur Ordner sondern auch Männer in schwarzen, nicht gerade symphatisch aussehenden Uniformen, wahrscheinlich so etwas wie Bereitschaftpolizei. Irgendwie fand ich dann doch eine Möglichkeit, die fast gespenstische Szenerie zu verlassen. Draußen angekommen war ich wieder der Meinung alle 8 Millionen in Wuhan lebenden Chinesen seien auf den Beinen - unvorstellbar! An ein Taxi war natürlich nicht zu denken. Ich ließ mich einfach von den Massen treiben und nach ca. 3 Kilometern, als sich die Menge doch etwas aufzulösen begann geschah ein Wunder, ein Taxi hielt direkt vor meiner Nase. Zwar zeterte der Taxifahrer irgend etwas auf Chinesisch, ich bedeutete ihm aber irgendwie über den Fluß zum Appartment zu fahren. Nach einer einstündigen Irrfahrt durch das völlig verstopfte Hankou haben wir dann die erste Brücke überqueren können. Gerettet!
Jetzt verstehe ich, warum in einem Buch über China empfohlen wird, als Ausländer während des Frühlings- und Herbstfestivals am besten die vier Wände nicht zu verlassen. Es war gnadenlos.