Bimbo's Blog

15 Dezember 2007

Adventszeit in Wuhan

Das zweite Mal habe ich nun das "Glück" die Adventszeit in Wuhan zu verbringen. Seit meinem letzten Eintrag sind fast vier Wochen vergangen. Richtige Höhepunkte gab es in dieser Zeit eigentlich nicht, wenn ich von unserer Weihnachtsfeier und dem Besuch eines Varietés absehe. Aber dazu später. Es ist halt jetzt so wie einer meiner Kollegen treffend bemerkte: "Die Zeit des Staunens ist vorbei, jetzt wird gearbeitet und gelebt." Damit hat er treffend zum Ausdruck gebracht was für uns "long-term"-Kollegen absolut zutrifft. Nach anderthalb Jahren hat man sich wirklich an das Leben hier gewöhnt und es muss schon etwas Besonderes geschehen um es als außergewöhnlich und für berichtenswert zu halten. Das Leben geht mittlerweile seinen eingeschliffenen Gang. Von Montag bis Freitag von 8 bis 18 Uhr im Office. Zweimal bis dreimal nach der Arbeit ins Fitness-Center, Einkaufen, ab und zu mit anderen Kollegen gemeinsam zum Abendessen ins Restaurant und sonst viel Lesen und nebenbei im Internet schauen, was es in der Heimat so Neues gibt. Am Wochenende geht man spazieren, versucht eine noch nicht entdeckte "Sehenswürdigkeit" in Wuhan aufzuspüren und jetzt in der Vorweihnachtszeit hält man natürlich auch Ausschau nach kleinen Mitbringseln für die Lieben daheim. Ab und zu nehme ich dazu die Hilfe meiner chinesischen Bekannten in Anspruch, soweit es Ihre Zeit erlaubt, da sie ja im Schichtsystem arbeitet. Dabei erfährt man auch immer wieder neue und interessante Details aus dem chinesischen Alltag.
Letzten Montag fand unsere diesjährige Weihnachtsfeier mit unserem chinesischen Bauherrn statt. Vorbereitet haben wir uns genau wie letztes Jahr indem unser Männnerchor, dem selbstverständlich alle Kollegen angehören, einige Weihnachtslieder einstudiert haben. Mit Unterstützung unserer chinesischen Kollegen haben wir sogar ein chinesisches Lied gesungen (oder besser gegrummelt). Damit auch richtige Weihnachtsstimmung auf kam musste jeder eine Weihnachtsmütze aufsetzen. Das fanden unserer chinesischen Kollegen besonders lustig und auch der oberste Bauherr kam sich nicht zu dumm vor auch eine rote Mütze auf dem Kopf zu tragen. In dieser Angelegenheit besteht sowieso ein großer Unterschied zwischen den Chinesen und uns Ausländern. Die Chinesen haben meines Erachtens eine viel niedrigere Hemmschwelle. Sie haben keine Hemmungen lauthals zu singen, sie telefonieren im Bus so laut, dass auch der entfernteste Fahrgast alles mit bekommt, sie tanzen abends in Gruppen auf allen verfügbaren Freiflächen und sie sind mit jedem Taxifahrer sofort in ein tiefes Gespräch vertieft. Zurück zur Weihnachtsfeier. Bei einem üppigen und auch für deutsche Verhältnisse ziemlich teuren Abendessen war es natürlich Pflicht, dass man sich ständig gegenseitig zuprostet, miteinander anstösst und sein Glas bis zur Neige leert. Ob es sich dabei um Bier, Wein oder härtere Sachen handelt ist völlig unerheblich. Anschließend waren alle so gut drauf, dass die Karaoke-Anlage in Beschlag genommen wurde und abwechselnd gesungen wurde. Das Repertoire der Anlage war wirklich erstaunlich. Von patriotischen chinesischen Revolutionslieder über Volkslieder bis hin zu englischen Pop-Titeln wie "Hey Jude" war alles vertreten. Stellt Euch das mal bildlich vor: Ein seriöser chinesischer Herr mit einer mit Zöpfen versehenen Weihnachtsmütze auf dem Kopf Revolutionslieder singend. Das war schon ziemlich beeindruckend, aber Spass hat es natürlich gemacht.
Am letzten Mittwoch hatten mein Kollege aus Dresden und ich eigentlich vor, gesittet zu Abend zu essen, da es sein letzter Abend vor dem Heimflug war. Und da ich schon immer überlegte, wie ich meiner - oder besser unserer - chinesischen Bekannten für ihre Hilfe danken könnte, luden wir sie kurzerhand zum Essen ein. Als wir dann unterwegs waren kamen wir an einem großen Gebäude vorbei, in das fast jeden Abend viele Chinesen strömen und wir immer nicht wussten, was da eigentlich los ist. Helen erklärte uns, dass sei ein Theater mit Tanz und Gesang und leicht bekleideten Frauen. Haben wir sie also überredet und uns der einströmenden Menge angeschlossen. Der Eintritt war moderat, allerdings war jeder Gast verpflichtet für mindestens 35 RMB Getränke zu sich zu nehmen. Das war allerdings bei den Getränkepreisen kein Problem. Wir bestellten eine Flasche Rotwein für 140 RMB und hatten also für drei Personen unseren Soll erfüllt. Obwohl es in China auch sehr guten Rotwein gibt schmeckte dieser wie kalter Glühwein. Der Saal war schon gut gefüllt und als wir an einem Tisch platziert wurden, lief als Vorspann der Show eine Versteigerung von großformatigen Zeichnungen mit chinesischen Motiven. Der Saal verströmte so etwa die Atmosphäre eines Bahnhofswartesaales. Nicht etwa wegen seiner Architektur, die entsprach schon voll und ganz einem Revuetheater. Die Wartesaalatmosphäre kam dadurch zustande, dass fast alle Gäste es für bequemer hielten ihre Jacken oder Mäntel nicht auszuziehen obwohl im Saal eine ganz annehmbare Temperatur herrschte. Pünktlich um 21:00 Uhr startete die Show mit einer mörderischen Lautstärke, die auch im Laufe des Abends nicht nachließ. Nach der Show charakterisierte mein Kollege die Show als "Ein Kessel Buntes" auf chinesisch. Und damit hatte er ziemlich genau den Nagel auf den Kopf getroffen. Tanzeinlagen von mehr oder weniger bekleideten Tänzerinnen wechselten ab mit Akrobatik-Einlagen, Sketchen (von denen wir natürlich so gut wie nichts verstanden, auch wenn Helen versuchte zu übersetzen), Gesangseinlagen und allerlei Klamauk. Den Höhepunkt des Abends bildete praktisch der Auftritt eines Pop-Sängers, der viel Stimmung machte und auch dementsprechend bejubelt wurde. Mehrmals liefen junge Mädchen oder auch Männer auf die Bühne. Allerdings nicht nur mit Blumen, meistens musste er aus großen Krügen Wein trinken. Also insgesamt ein vergnügliches Erlebnis, von dem auch Helen ganz begeistert war. Einmal in China muss man sowas einfach einmal erleben.