Bimbo's Blog

17 Oktober 2007

Wochenende in Yichang - Teil 2 - Volkskunst und Zug fahren

Auf Empfehlung der Hotelrezeption mieteten wir uns für den halben Sonntag einen Honda-Van samt Fahrer für umgerechnet ca. 38 Euro. Unser Ziel war Chexi-Volkskunde-Areal, das uns die liebreizende Chinesin an der Rezeption uns wärmsten empfohlen hatte. Und es war ein guter Tip. Ein ganzer Landstrich, malerisch in einer Schlucht gelegen, ist hier zu einem riesigen Freiluftmuseum umfunktioniert worden. In diesem Gebiet lebten und leben die Tujia, eine der 56 Ethnien, die offiziell durch die Volksrepublik China als nationale Minderheit anerkannt werden. Man konnte die alte Handwerkskunst bewundern, alte Bauten besichtigen. Am interessantesten waren jedoch die volkstümlichen Darbietungen mit ihren Tänzen und Sketchen. Die vielen chinesischen Touristen haben sich jedenfalls köstlich amüsiert. In einem Tanz der jungen Mädchen wurde der alte Brauch der Tujia angedeutet, nach dem junge Mädchen vor der Hochzeit zwischen sieben und zwanzig Tagen laut weinen und traurige Lieder singen müssen. Je mehr sie weinen, desto mehr Glück und Wohlstand wird der künftigen Familie zuteil. Aus diesem Grund haben vielen Bräute während der Hochzeit verquollene und gerötete Augen. Ob dieses Weinen heute noch praktiziert konnten wir nicht in Erfahrung bringen. Das Wetter war an diesem Sonntag morgen auch besser und beim besteigen der Schluchtaufstiege um zu einer prächtigen Höhle zu gelangen kamen wir mächtig ins Schwitzen. Insgesamt ein schöner und entspannender Vormittag.
Das dicke Ende ließ aber auch nicht lange auf sich warten. Ein Höhepunkt stand uns noch bevor. Die Zugfahrt zurück nach Wuhan. Zugfahren in China hat mich etwas an meine Kindheit erinnert, als man nur mit gültiger Fahrkarte oder einem Extraticket auf den Bahnsteig durfte. So lief es auch in Yichang ab. Schon ca. 40 Minuten vor Abfahrt des Zuges warten in der Bahnhofshalle, die mach auch erst betreten durfte, nachdem man eine Kontrolle ähnlich wie am Flughafen hinter sich hatte, wobei es hier aber ziemlich leger und tumultartig zuging. Als dann die zwei Zugänge geöffnet wurden ging ein großen Schieben und Drücken los, obwohl doch jeder eine Fahrkarte mit Platzkarte hatte. Vom Eisenbahnbeamten wurden die Fahrkarten dann auch ordnungsgemäß geknipst und schon waren wir auf dem Bahnsteig wo der Doppelstockzug schon bereit stand. Unsere Plätze hatten wir schnell gefunden - und wie konnte es anders sein wieder in unmittelbarer Nähe der Toilette. Nachdem der Zug losgefahren war beruhigte sich die Lage etwas. Das Zugpersonal hievte einen quietschenden Wagen durch die Gänge und die Treppen hinauf und herunter und verkaufte die Getränke, Kekse und Obst. Ein chinesischer Fahrgast hatte einen Platz neben meinem Kollegen und mangels eines in griffweite vorhandenen Abfallbehälters wurden die Kerne seiner riesengroßen Weintrauben eben auf den Boden gespuckt. Natürlich waren auch Kinder an Bord. Das war wirklich nicht zu überhören. Auch merkte man, dass sich die meiste Zeit die Großmütter mit den Kleinen beschäftigten. Da wurde dann in voller Lautstärke von einem Ende des Waggons zum anderen kommuniziert und manchmal hatten auch die anderen Reisenden was zu schmunzeln. Die vorbei ziehende Landschaft war geprägt von kleiner Landwirtschaft und mir fiel auf, dass so gut wie keine geschlossene Waldfläche zu sehen war. Die vorbei ziehenden Dörfer machten in der Regel einen sehr ärmlichen Eindruck und mir drängte sich die Frage auf, wie bei dieser kleinfeldrigen Landwirtschaft genug produziert werden kann. Zum anderen war mir bewusst, dass ich während der vierstündigen Zugfahrt nur einen verschwindend kleinen Teil der Landwirtschaft zu sehen bekam. Je näher wir nach Wuhan kamen und je öfter der Zug hielt, desto voller und natürlich lauter wurde er. In Wuhan angekommen musste noch einmal eine Sperre passiert werden, an der die Fahrkarten noch einmal kontrolliert wurde. Warum konnte ich mir nicht erklären. Und nebenbei: die Preis für die vierstündige Zugfahrt von Yichang nach Wuhan betrug 49 RMB, also ca. 5 Euro. Ein preiswertes Vergnügen!

15 Oktober 2007

Yichang - Teil 1: Der Drei-Schluchten-Staudamm

Der Regengott hat es letztes Wochenende nicht gut mit meinem Kollegen und mir gemeint. Der Abstecher zum Drei-Schluchten-Staudamm fiel buchstäblich ins Wasser. Aber der Reihe nach. Nach dem Besuch von Xi'an im letzten Herbst hatte ich mir auch für diesen Spätsommer vorgenommen, einen Ausflug zu einem lohnenswerten Ziel zu unternehmen. Mit einem Kollegen hatte ich mich schnell auf Yichang in der Nähe des berühmten Staudammes geeinigt. Los ging es Freitagabend im relativ komfortablen Reisebus. Nur die Tür zur Toilette schloss nicht ganz dicht, so dass uns über vier Stunden eine unangenehme Wolke um die Nase wehte. Aber nach einer Stunde riecht man fast nichts mehr. Das Hotel war auch ganz ok. Den schon etwas abgewohnten Eindruck hat man in vielen Hotels in China. Nachdem sie einmal eröffnet wurden, wird lange Zeit nichts mehr getan, keine Instandhaltung, keine Renovierung - aber das trifft nicht nur auf Hotels zu. Das "Western Breakfast", also das westliche Frühstück, bestand leider nur aus Toastbrot, Butter und Marmelade. Die Chinesen essen auch zum Frühstück ihre warmen Speisen, bei denen sich mir teilweise der Magen hebt - jedenfalls um diese Tageszeit.
Mit dem Bus ging es dann am Sonnabendmorgen in ca. 1 Stunde zum Staudamm. Betreten darf man das Besuchsglände erst nach einem ähnlichen Sicherheitscheck wie auf einem Flughafen. Bei der Bedeutung dieses Bauwerkes verständlich. An exponierter Stelle haben die Chinesen ein gepflegtes Besucher-Center angelegt, von dem man auf der einen Seite einen guten Blick auf den ca. 2,3 Kilometer langen Staudamm hat und zur gegenüberliegenden Seite das zweifache fünfstufige Schleusensystem bewundern kann. Alles von riesigen Ausmaßen und sehr beeindruckend. Und wie bei allen Sehenswürdigkeiten fanden die vielen Chinesen kein Ende sich überall und in allen Posen und familären Zusammenstellungen zu fotografieren. Leider hat es zum Teil sehr heftig geregnet, so dass wir im Ausstellungs- und Verkaufsgebäude ausharren mussten. Dabei hatten wir Gelegenheiten, uns das Modell des Dammes anzusehen und ein paar Souvenirs zu erstehen bzw zu erkämpfen, denn wo mehr als zwei Chinesen sind ist es nicht nur laut, sondern es wird in der Regel auch gedrängelt. Alles in allem aber ein interessanter Ausflug. Den Rest des Nachmittages verbrachten wir damit, uns das Zentrum von Yichang anzusehen, der Regen hatte inzwischen aufgehört. Am beeindruckendsten war wieder mal der Besuch in einem Bücherladen. Vor allem Jugendliche und Kinder funktionieren so eine Verkaufseinrichtung kurzerhand zur öffentlichen Lesestube um. In allen Gängen und auf allen Treppen hocken oder sitzen die Menschen und Lesen. Und ich bin sicher, die wenigsten kaufen dann wirklich ein Buch. Dieses Phänomen habe ich schon in Wuhan beobachtet. Es scheint also ganz normal zu sein. Zu Abend aßen wir in einem Restaurant das nach meiner Meinung wieder mal exemplarisch für die für den westlichen Geschmack eigentümliche Auffassung von gelungener Innenarchektur darstellte. Das Restaurant war in zwei Etagen angelegt. Die zweite Etage stellte eine Art Empore dar. In der Mitte der ersten Etage saß auf einer kleinen Insel ein junger Chinese an einem weißen Flügel und klimperte Melodien ala Richard Claydermann. Umgeben war diese Insel von einem Teich mit einer Unzahl von Goldfischen. Wollte man in die zweite Etage musste ein kleiner Steg zur Insel überschritten werden, am Klavierspieler musste man sich vorbeimogeln und dann ging es auf einer Art Wendeltreppe nach oben. Allerdings war das kein Fischrestaurant wie man vermuten könnte. Neben den typischen chinesischen Speisen wurden auch einige "westliche" Gerichte angeboten - wie halt unsere Pizza. Sehr interessant - man lernt immer wieder Neues und Interessantes kennen.