Bimbo's Blog

25 Juli 2006

Ein Traum wird wahr

Geschafft! Trotz meiner nervenaufreibend langsamen Internetverbindung habe ich alle Flüge, die Hotels für die erste Woche und den Mietwagen für unsere Reise in die USA im November buchen können. Besonders kompliziert stellte das sich deshalb dar, weil meine Frau aus Hamburg und ich aus Wuhan in die Staaten fliegen. Treffen werden wir uns in Washington und von da geht es gemeinsam weiter. Unsere Christin wird am 11. November aus ihrem Volleyball-Team an der Marshall University in Huntington verabschiedet. Und da diese Aktion wie so vieles in den Staaten nur mit großem Aufwand über die Bühne geht und es erwartet wird, dass dann auch die Eltern bei dem Spektakel anwesend sind, haben wir uns entschlossen, zwei Wochen im "Land der unbegrenzten Möglichkeiten" Urlaub zu machen. Die erste Woche werden wir in Huntington bei Christin sein. In der zweiten Woche erfülle ich mir einen Traum: San Fransisco! Darauf freue ich mich riesig. Meine liebe Frau ist zwar noch nicht so enthusiastisch wie ich, aber ich werde sie schon noch anstecken.
So ist das, der erste Urlaub liegt immer noch drei Wochen entfernt (ist doch eigentlich auch nicht mehr viel, wenn man schon 10! hinter sich hat) und schon macht man große Planungen für den nächsten Höhepunkt. Aber ich glaube, so ist das immer im Leben, man hangelt sich immer von einem Höhepunkt zum anderen. Die Täler und Hindernisse, die bei dieser Hangelei überwunden werden, sind schnell vergessen.
In Wuhan gibt es nichts wirklich aufregend Neues. Ja, auch wenn ich es nicht wahr haben will, es hat sich doch so etwas wie Gewohnheit eingeschlichen. Die Abwechslung besteht aus den Wochenenden und - für mich wichtig - aus den Büchern, die ich abends lese. Nach dem phantastischen "Landleben" von John Updike hat mir gleich danach "Gegen Ende der Zeit" nicht in dem Maße gefallen. Ok, immer noch lesenswert, besonders, wie er immer wieder mit Sätzen, die ich mehrmals lesen musste, weil sie in einer so bildhaften Sprache geschrieben sind, den Wechsel der Jahreszeiten in einem der letzten Jahre eines alternden Mannes beschreibt. Und das war auch der Aspekt, der mir nicht so gefiel, die fast immer präsente deprimierende Stimmung. Ich konnte mich nicht bremsen und musste gleich bei amazon die vier Bände seiner "Rabbit"-Reihe bestellen. Ich glaube, damit kann ich die Zeit zwischen dem August- und Novemberurlaub gut überbrücken.

16 Juli 2006

Mein Ausflug ins Dienstleistungsgewerbe

Das herrausragende Erlebnis an diesem Wochenende war wohl mein Friseurbesuch. Ich hatte mich entschlossen, meine für meine Begriffe etwas zu langen und schon angegrauten Haare etwas in Form bringen zu lassen. Nach dem mein Kollege mir schon mehrmals von seinem Friseurbesuch vorgeschwärmt hatte, machte ich mich also am Samstag vormittag auf den Weg in das Nachbargebäude, in dem sich dieser sagenumwobene Dienstleister befindet. Kaum zu Tür im Erdgeschoß eingetreten wurde ich schon von mehreren jungen Leuten mit einem mehrstimmigen "Hello" und "Welcome" empfangen und von einem in die zweite Etage geführt. Dort wurde ich angehalten, mich auf bzw. in eine Apparatur zu legen. Eigentlich lässt sich diese Apparatur ganz einfach beschreiben, es ist so als wenn man sich aufs Bett setzt, sich nach hinten fallen lässt und der Kopf in einem Kopfwaschbecken landet. In dieser bequemen Lage wurde mein Kopf gewaschen und massiert. Diese Prozedur dauerte mindestens zehn Minuten. Nur die etwas laute Musik hat mich davon abgehalten, ein kleines Nickerchen zu machen. Nach der ausgedehnten Waschprozedur wurde ich eine Etage nach unten geleitet und auf einem Frisiersessel plaziert. Nachdem mir das obligatorische Glas grünen Tees gereicht wurde kam mein Friseur, ein junger Chinese, und wollte von mir Wissen, wie ich denn meinen kläglichen Haarschopf frisiert haben möchte. Gestenreich habe ich versucht, ihm zu erklären, um wieviel Zentimeter ich meine Haare gekürzt haben möchte und wo denn Bitte der Scheitel hin soll. Außer einem Kamm und einer Schere wurde keine anderen Werkzeuge an mich gelegt. Und das Ergebnis war nahezu perfekt. Als er dann wortreich und für mich natürlich unverständlich zum Ende kam hielt ich die Prozedur zweifellos für abgeschlossen. Aber weit gefehlt. Jetzt kam die zweite Waschung. Nochmals wurde ich an eine "Haarwaschliege" geführt und durfte mir nochmals die Haare waschen und den Kopf massieren lassen. Mein Friseur hatte in der Zwischenzeit mein Teeglas nachgefüllt und erwartete mich zurück, um mir die Haare zu kämmen und anzuföhnen. Nachdem ich meine völlige Zufriedenheit zum Ausdruck gebracht hatte wurde ich nach unten zur Rezeption geleitet und durfte 19 Yuan (ca. 1,90 €) bezahlen, Trinkgeld wird unter keinen Umständen angenommen. Ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, was diese fleißigen Leute im Monat verdienen, wenn man bedenkt, dass von meinen 19 Yuan ja auch noch Miete und weitere Betriebskosten beglichen werden müssen.
Den Rest des Samtags habe ich mit meiner geliebten Access-Planlaufdatenbank verbracht. Abends stand das Club-Cafe und ein Besuch in der Vox-Bar, eines Studentenclubs mit krachender Live-Musik, auf dem Programm. Heute hatte ich mir eigentlich vorgenommen, einen weiteren Punkt auf meiner "Must have"-Sightseeing-Liste abzuhaken. Ich wollte mir Mao's Sommerhaus, heute natürlich ein Museum, anschauen. Aber entweder bin ich zu blind oder ich habe zu früh aufgegeben. Entsprechend meinem chinesischen Stadtplan befindet sich das Sommerhaus in einem Park am East-Lake. Nur hat man mir zu dem einzigen Park, den ich gefunden habe, den Zutritt verwehrt. Ein stramm stehender Wachposten deutete mir an, dass mir nicht erlaubt sei, ein paar Schritte weiter zu gehen. Um ihn nicht zu provozieren und vielleicht noch irgendwelche Probleme herauf zu beschwören habe ich halt kehrt gemacht und statt dessen einen Frustkauf im Supermarkt "Carrefour" abgehalten. Wieder ein Wochenende vorbei und es sind nur noch vier bis mein Flugzeug Richtung Peking-Berlin abhebt. Juhu!

10 Juli 2006

Wird alles zur Normalität?

Natürlich ist es normal, das auch die extrem ungewohnten Eindrücke hier in Wuhan irgendwann einmal den Reiz des Neuen und Exotischen verlieren. Und wenn man sich dann Gedanken darüber macht, ob man das Müsli nicht lieber bei Metro kaufen sollte, weil es da 1 Yuan (0,1€) billiger zu haben ist, dann glaube ich, ist man hier angekommen. Und auch die Tagesabläufe schleifen sich ein. Von montags bis freitags sind wir von 08:00 Uhr bis 18:00 Uhr im Office. Wenn ich dann gegen 18:20 Ihr im Appartment bin, dann ist sozusagen die Luft raus, etwas essen, vielleicht nochmal schnell in den Supermarkt gegenüber, im Internet schauen, was es Neues gibt und dann noch etwas lesen. Das wars. An den Wochenenden hat man das nicht gerade reichliche Angebot an Sehenswürdgikeiten bald abegearbeitet und es gilt, sich neue "Highlights" zu suchen. Ganz angenehm war es am Samstag abend im "Club Cafe" drüben in Hankou. Nicht so voll, gutes Essen, viele ausländische Gäste und etwas Life-Musik. Das war ganz nach meinem Geschmack. Ansonsten war das Wochenende ziemlich verregnet. Ich habe die trüben Stunden genutzt und mich mal wieder mit der von mir entwickelten Access-Datenbank für die Planlaufverfolgung beschäftigt und sie entsprechend den Wünschen einer netten Kollegin modifiziert. Ich denke, mittlerweile ist eine ganz brauchbare Datenbank daraus geworden. Für größere Datenmengen, wie sie bei der Planlaufverfolgung anfallen, ist meines Erachtens immer eine Datenbank einer Excel-Tabelle vorzuziehen, zumal es bei Excel keine Möglichkeit, gibt Relationen herzustellen.
Doch es ist schon richtig, auch an das Leben hier gewöhnt man sich irgendwie, daran, dass es täglich über 30 Grad sind und Schwitzen außerhalb geschlossener Räume zum Normalzustand wird, daran, dass es im Juli schon gegen 19:30 Uhr dunkel wird und auch der chaotische Verkehr ist mittlerweile nichts Besonderes mehr.

02 Juli 2006

"Brüder hört die Signale..."

Es ist schon kraß. Du stehst um 21:00 Uhr bei 34 Grad Hitze auf dem Hong Shan-Platz, der große Springbrunnen fängt an zu sprudeln und seine Fontänen bewegen sich im Rythmus der "Internationale", dem alten kommunistischen Kampflied, auf und ab. Ringsum kreischen kleine Kinder und haschen nach jedem Tropfen Wasser und hinter deinem Rücken die Werbung von McDonald's und Co. Was ist das nun? Sterbender Kommunismus, aufblühender Frühkapitalismus oder eine Mischung von allem? Es ist gibt wohl keine bessere Bezeichnung als die, die meine Kollegen bei jeder Gelegenheit benutzen, bei der etwas zu erklären versucht wird, was eigentlich nicht erklärt werden kann - "The Chinese Way".
Was gab es sonst noch an diesem Wochenende als die Internationale zu sprudelnden Fontänen und einer fast unerträglichen Hitze?
In der Nacht zum Samstag natürlich das Fußballspiel Deutschland-Argentinien mit diesem nervenaufreibenden Elfmeterschießen. Im "York" war kein Platz vor der Beamer-Leinwand mehr zu haben und es gab zwar kein Meer aus schwarz-rot-gold aber eindeutig dominierte diese Farbkombination. Während des Elfmeterschießens erklangen dann auch "Deutschland, Deutschland"-Rufe. Das fand ich dann nicht mehr so witzig. Für solch übersteigerten, durch Alkohol geförderten sogenannten Patriotismus kann ich mich einfach nicht begeistern. Anschließend ging es noch ins "Soho", eine Diskothek. Dort hatte ein Kollege noch eine halbe Flasche Wodka zu stehen, die auf Leerung wartete. Und das "Soho" hat mich wieder umgehauen. Sicher habe ich nicht mehr das passende Alter für eine derartige Disko, aber als Ausländer fällt man da weniger auf. Ich weiß nicht, ob es etwas derartiges in Schwerin oder einer anderen großen Stadt in Meck-Pomm gibt. Als wir reinkamen empfing uns dröhnender Beat und der ganze Saal bebte und wogte. Es gab keine eigentliche Tanzfläche sondern nur Stehtische und getanzt wurde da, wo man stand. Auf riesigen Bildschirmen lief natürlich auch die Fussball-WM. Erstaunlicherweise war die Luft relativ sauber und es war gut klimatisiert. Auf der Toilette wurde permanent gesäubert und auch durch den Saal gingen ständig Reinigungskräfte und räumten den Dreck weg, der einfach so weggeworfen wurde. Also wieder mal ein Ort, den ich so hier nicht erwartet hätte und den man sich in Deutschland oder anderswo außerhalb Chinas sicher schwer vorstellen kann. Letztendlich war die Nacht gegen fünf mit der obligatorischen Taxifahrt zur Unterkunft zu Ende.
Und am Samstag wieder mal Fußball. Dieses Mal gemeinsam mit Kollegen vom FSDI gegen eine Studentenmannschaft der Eisenbahn-Akademie hier in Wuhan. Bei einer Hitze von 36 Grad wurde um 17:00 Uhr für 2 mal 30 Minuten angestoßen. Die chinesischen Studenten gewannen mit 3:2, was bei dem Altersunterschied nicht weiter überraschend war. Aber wie schon beim letzten Spiel war die Hauptsache das Dinner danach. Es wurde aufgetafelt, als gelte es doppelt soviel Leute zu versorgen als anwesend waren. Und wer wollte, konnte sogar an einer Schildkröte kauen oder schlürfen. Das entsprach allerdings nicht so ganz meinem Geschmack. Es wäre müsig alle Gerichte aufzuzählen. Schaut Euch einfach die Bilder an. Wie scharf das alles gewürzt, war spürte mein Kollege, der 10 Minuten nicht mehr sprechen konnte (oder wollte) weil die Entenbrust extrem stark gewürzt war. Da half auch kein Nachspülen mit Erdinger Weißbier. Als wir nach ca. 2 Stunden das Schlachtfeld verließen und wieder nach draußen kamen war es zwar schon dunkel - das wird es hier sowieso eher als in Mitteleuropa - aber es waren auch noch 35 Grad. Wie man sich da nach reichlich Biergenuss und vollem Magen fühlt brauche ich wohl nicht zu beschreiben.
Der Sonntag verlief, jedenfalls für mich, relativ ruhig. Relativ deshalb, weil die Renovierungsarbeiten in einem Appartement auf meiner Etage noch immer nicht abgeschlossen sind und gegen 8 Uhr die Kreissägen und Bohrmaschinen ihren ohrenbetäubenden Lärm durch den Beton schickten. Die Hitze draußen war so groß, dass ich es vorzog im klimatisierten Appartement zu bleiben und endlich in Ruhe zu lesen. "Landleben" von John Updike ist ein Buch, in das man sich erst hineinlesen muss. Wenn man sich aber erst hineingelesen hat, schaut man nicht mehr auf die Uhr und vergisst auch, irgendwas zu sich zu nehmen. Sehr zu empfehlen. Ja und am Abend dann noch nochmal zum Hong Shan-Platz. Was da los war - siehe oben....