Am heutigen Sonntag lud mich Helen zu einem Spaziergang am Südsee in Wuhan ein. Sie sagte mir, sie wolle mir zeigen, wo sie spazieren geht, wenn das Wetter und ihre knapp bemessene Freizeit es zulassen. Also war ich auf einen schönen Spaziergang vorbereitet. Das Wohnhaus von Helen liegt ungefähr 2 km Luftlinie vom Südsee entfernt. In unmittelbarer Nachbarschaft ihres Hauses, das ca. 10 Jahre alt ist, aber den Eindruck erweckt, es ist schon 30 Jahre alt, werden mit Hochdruck weitere Wohnhochhäuser in die Höhe gezogen. Also erst einmal an der Großbaustelle vorbei, was natürlich nicht ohne Lärm und Staub abgeht. Direkt neben der Großbaustelle überraschte mich ein riesiger Komplex einer halbfertigen Wohnanlage, die im Rohbau in der Landschaft stand. Riesige graue Betonburgen, auf denen alle Anzeichen von Baugeschehen verschwunden waren. Als ich Helen nach der Ursache fragte erhielt ich die lakonische Antwort "No money". Hinter der Großbaustelle und den Investruinen gab es aber keine Wanderwege oder irgendetwas ähnliches. Wir liefen praktisch durch kleine frisch bestellte Flächen, die wohl die unmittelbaren Bewohner als "Kleingarten" nutzen. Als wir diesen Bereich hinter uns gelassen hatten fanden wir uns in einem Gewirr von kleinen Tümpeln und Wasserläufen wieder, nach dessen Durchquerung wir schließlich an den Rand des Sees gelangten. Auf dem Weg dorthin war überall Müll, vor allem Plastiktüten, in der Landschaft verstreut. Hier ein Schutthaufen von einem augenscheinlich abgerissenen Schuppen, dort ein Haufen verfaulendes Holz und mitten auf dem Weg ein braunes Rindvieh - wenn die Sonne nicht geschienen hätte und der Frühling sich nicht auch hier mit aller Macht Geltung verschafft hätte, hätte alles noch viel trostloser ausgesehen. Direkt zum See sind wir gar nicht gekommen. An dieser Stelle ist das Ufer des Südsees von einer Mauer begrenzt, die allerdings an einigen Stellen große Löcher aufweist. Durch eine dieser Mauerlücken hatten wir dann einen freien Blick auf den See. Am Ufer eine mindestens 1 Meter breite Mischung aus Schlamm, Müll und Unrat, die einen stark unangenehmen Gestank verbreitete. Auf dem Weg zurück zu Helens Wohnhaus nahmen wir einen anderen Weg, der aber nicht freundlicher aussah als der, der uns an den See geführt hatte. Nun liefen wir an der anderen Seite der Investruinen vorbei. Hier lag ebenfalls alles voller Müll und was mich am meisten schockiert hat - in den stinkenden Wassertümpeln spielten unbefangen Kinder als wären sie in einer Ferienanlage. Eine kleine Verletzung und sie holen sich in diesen Tümpeln eine Krankheit.Das war also mein Spaziergang am Sonntagnachmittag. Nicht gerade schön, aber dafür aufschlußreich. Für eines der nächsten Wochenenden hat mich Helen zu Ihrem Geburtsort außerhalb Wuhans eingeladen. Darauf bin ich wirklich gespannt. Endlich mal raus aus Wuhan und etwas außerhalb einer Großstadt sehen.
P.S.: Auf meinen China-Fotoseiten gibt es ein paar Bilder zur illustration.