Bimbo's Blog

02 September 2007

Unvorstellbare Arbeitszeiten

Heute habe ich mal wieder einen Eindruck davon bekommen, wie abgehoben wir Deutschen doch so manchmal sind. Da die Festplatte meines Laptops schon seit einiger Zeit Probleme macht und die Anzeichen, dass sie bald ganz ihren Geist aufgeben wird, sich immer mehr häufen, hatte ich mich heute entschlossen mal wieder nach Computown zu gehen und mich nach einem neuen Langzeitgedächtnis für meinen treuen Begleiter umzuschauen. Dass die Fahrt hin und zurück mit dem Bus wieder ein ganz besonderes Erlebnis war brauche ich wohl nicht mehr besonders zu erwähnen. Das soll ja auch heute nicht Thema sein. Was wir Ausländer hier als Computown bezeichnen ist ein ca. 2000 Meter langer Abschnitt der Wuluo-Road der auf beiden Seiten von einer Unzahl von größeren und kleineren Computergeschäften gesäumt ist. Man findet einfach alles, nicht nur Computer, auch Foto- und Videotechnik, MP3/4-Player, Mobiltelefone, Faxgeräte, Kopierer und natürlich jegliches Zubehör. Die Preise für Computer und Zubehör liegen im Schnitt 20 bis 30 Prozent unter denen der "Ich bin ja nicht blöd"-Kette in Deutschland. Bei Foto- und Videotechnik sind die Preisunterschiede nur marginal. Wohlgemerkt, ich rede hier von Markenprodukten. Als Ausländer wird man fast an jedem Stand angesprochen und eingeladen sich die Auslagen näher anzuschauen. Daran hat man sich aber schnell gewöhnt und geht mit einem Nicken, einem "No, Thank you" und freundlichem Lächeln weiter. Wenn man wie ich etwas bestimmtes sucht, ist die Sache nicht ganz so einfach, zum einem ist die Anzahl der Shops, in denen man das Gesuchte kaufen kann schier unübersehbar und zum anderen geht man natürlich immer das Risiko ein, dass man das Objekt seiner Begierde nach dem Kauf woanders immer noch etwas preiswerter findet. Ich habe mir angewöhnt, an drei bis vier Shops nach dem Preis zu fragen und dann zu kaufen. Und ob ich letztlich 3 oder 4 Euro hätte sparen können ist dann auch egal. Das Verkaufspersonal sind in der übergroßen Mehrzahl junge Leute, wobei die Männer nur geringfügig in der Überzahl sind. Die meisten beherrschen zumindest bruchstückhaft etwas Englisch. An dem Shop für den ich mich letztendlich entschieden habe, bin ich mit dem jungen Verkäufer etwas ins Gespräch gekommen. Er hatte die obligatorischen Fragen, wo ich herkomme und seit wann ich in Wuhan lebe und ob ich heute (am Sonntag) frei habe. Die Antwort, die ich auf meine gleich gelagerte Frage erhielt hat mich aber dann doch ziemlich überrascht. Er muss jeden Tag von 09:00 bis 18:00 Uhr arbeiten und hat im Monat nur einen Tag frei. Erst dachte ich, ich hätte mich verhört aber nach meiner wiederholten Frage bestätigte er das nochmal und ergänzte, dass er ja im Frühjahr und im Herbst während der chinesischen Festwochen ein paar Tage frei hat und da sei doch ok. Ich war ziemlich erschüttert. Mein Gegenüber machte aber gar keinen so unglücklichen Eindruck und ergänzte, dass fast alle jungen Verkäufer(innen) in der Branche solche Arbeitszeiten hätten. Nach seinem Verdienst habe ich ihn dann nicht gefragt. Ich denke, ich hätte einen zweiten Schock bekommen. Auf dem Heimweg musste ich immer an die Meldungen vom Frühjahr aus Deutschland denken, in denen von dem Streik wegen ein paar Minuten mehr Wochenarbeitszeit berichtet wurde. Die Deutschen wissen wirklich nicht, wie gut es ihnen geht. Es ist gut, wenn man ab und zu mit solchen Tatsachen konfrontiert wird. Dann sieht man die Welt wieder mit realistischeren Augen.