Bimbo's Blog

16 November 2008

Kulturelle Unterschiede - STUDY! STUDY! STUDY!

Die kulturellen Unterschiede zwischen China und den westlichen Ländern, die einem erst nach längerem Aufenthalt und nach vielen Gesprächen mit unseren chinesischen Kollegen bewusst werden, sind zum Teil doch ziemlich gravierend. Als Beispiel im folgenden einige Ausführungen zur Eistellung der chinesischen Mittelschicht bezüglich des Lernverhaltens ihrer Kinder. Aufgrund der Tatsache, dass viele Eltern nur ein Kind haben, steht es für sie außer Frage, dass ihr Kind studieren muss. Es herrscht die sicher nicht unbegründete Meinung vor, entweder dein Kind studiert und bekommt danach einen gut bezahlten Job oder es bleibt ein Nichts und muss sich mit irgendeinem schlechtbezahlten Job durch das Leben schlagen. Dazwischen gibt es nichts. Um dieses Ziel zu erreichen, werden die Kinder auf Spezialschulen geschickt, die natürlich Gebühren kosten. Das sind in der Regel bis zum sechsten Schuljahr so etwas wie Ganztagsschulen, in denen die Schüler von morgens acht Uhr bis an manchen Wochentagen abends acht Uhr - mit einer Mittagspause von etwas mehr als zwei Stunden - Frontalunterricht haben. Das reicht aber noch nicht. Zusätzlich werden für die Wochenenden weitere Kurse in Mathe, English oder auch Chinesisch gebucht. Die Zeit, die der Schüler dann am Wochenende nicht in irgendeinem Kurs verbringt ist angefüllt mit Hausaufgaben. Das heisst, Freizeit, wie sie die Kinder in Deutschland oder anderswo kennen, ist für diese chinesischen Kinder ein Fremdwort. Das geht soweit, dass den Eltern der Vorwurf des Zeitverschwendens gemacht wird, weil Ihr Kind an einem Nachmittag in der Woche zwei freie Stunden hat, die nicht mit schulischen Aufgaben angefüllt sind. Und natürlich muss jedes Kind mindestens unter den ersten zehn Besten der Klasse sein. Rutscht es ab auf einen Platz zwischen 15 und 20 (bei 35 Kindern in der Klasse) stellt das schon eine Katastrophe dar und es werden entsprechende Gegenmaßnahmen getroffen, die zum Beispiel darin bestehen, dass der Schüler jetzt auch noch zwischen 20:00 Uhr und 21:00 Uhr Schulaufgaben zu erledigen hat. Auf unsere Feststellung, dass den Kindern damit - drastisch ausgedrückt - die Kindheit gestohlen wird, ernteten wir nur unverständliche Blicke und die Antwort, Kinder haben zu lernen - und nichts anderes STUDY! STUDY! STUDY! Zusätzlich kommt hinzu, dass von den meisten Eltern überhaupt nicht hinterfragt wird, ob denn ihr Kind überhaupt intellektuell in der Lage ist Leistungen zu erbringen, die ein Studium ermöglichen. Unser Kind muss studieren - Basta. Wenn wir dann weiter argumentieren, dass ein zehnjähriges Kind physisch gar nicht in der Lage ist, mehr als acht Stunden am Tag zu lernen, dann wird geantwortet, "deutsche Kinder vielleicht, chinesische können das". Dieser Wahn macht zum Beispiel auch vor den Sommerferien keinen Halt. Es gibt Kinder, die sind von acht Wochen Ferien sechs Wochen auf irgendwelchen Vertiefungs- oder Aufbaukursen. Auf der anderen Seite kann ich es nicht nachvollziehen, dass ein Kind nach mehr als drei Jahren Englischunterricht an einer Spezialschule nicht inder Lage ist, einfache englisch Fragesätze zu bilden oder fehlerfrei die Monate in englischer Sprache niederzuschreiben. Hier macht sich etwas bemerkbar, was sich nach meiner Auffassung wie ein roter Faden durch alle möglichen Lebensbereiche hier in China zieht - die Ineffektivität. Nicht nur die Ineffektivität des Lernens, sondern auch die Ineffektivität und Ressourcenverschwendung beim Bau und anderen gesellschaftlichen Aktivitäten.

02 November 2008

Gewaltloser Protest

Heute vormittag hatte ich ein Erlebnis der besonderen Art. Der Bus, mit dem ich unterwegs zum Supermarkt war, hielt plötzlich an ungewöhnlicher Stelle mitten auf der Fahrbahn. Wir standen im dicken Stau. Wie sich herausstellte, befand sich die Ursache für den hunderte Meter langen Stau an einer Kreuzung in Fahrtrichtung. Schon von weitem war ein großer Menschenauflauf zu sehen. Beim Näherkommen bemerkte ich ein weißes Transparent mit schwarzen chinesischen Schriftzeichen. Als ich die Kreuzung erreicht hatte, entdeckte ich die Ursache für den Mega-Stau: Über die gesamte Fahrbahnbreite saßen alte Frauen und Männer auf Stühlen und Hockern und blockierten den Verkehr. Mit einem roten Band, das sie fest in ihren Händen hielten, sperrten sie die Straße ab. Die direkten Akteure waren eigentlich in der Minderzahl. Die meisten Chinesen standen nur herum und beobachteten die Szene. Eine beträchtliche Anzahl von Polizisten redete auf die alten Leute ein und versuchte sie vom Verlassen der Fahrbahn zu überzeugen. Der Grund für diese gewaltlose Demonstration war mir natürlich unklar, da ich nicht lesen konnte, was auf dem weißen Transparent geschrieben stand. Nachträglich erfuhr ich, dass ein Teil der Schriftzeichen etwa bedeutete "Helft uns!". Wie lange die Demonstration gedauert hat und auf welche Weise die Fahrbahn wieder freigemacht wurde, weiß ich nicht. Nach einigen Minuten entfernte ich mich von diesem ungewohnten Schauplatz. Leider hatte ich keinen Fotoapparat dabei. Wie es allerdings die chinesischen Polizisten gefunden hätten, wenn ein Ausländer bei dieser Demo fleißig fotografiert hätte, weiß ich nicht.......
Vor einigen Wochen beobachtete ein Kollege schon einmal eine ähnliche Demonstration. Damals demonstrierten die alten Herrschaften nach unseren Informationen deshlab, weil ihnen ihre zustehende Entschädigung dafür, dass sie ihre angestammten Wohnungen wegen anderer Neubauten verlassen müssen, nicht gezahlt wird. Das halte ich auch für einen realistischen Grund für die heutige Demo.