Ochsen-Party
Ich weiß, die Überschrift ist nicht gerade klug gewählt und assoziiert ein wilde Party. Die Party, zu der ich gestern eingeladen war, war alles andere als wild. Heute beginnt in China das Jahr des Ochsen, manche sagen auch das Jahr des Rindes. Also war gestern Abend der chinesische Neujahrsabend. Und wie es sich in China für dieses Fest gehört, wird groß im Kreise der Familie und mit Freunden gefeiert. Die Vorbereitungen dafür laufen gewöhnlich schon seit einigen Wochen. Da wird eingekauft, was die Geldbörse hergibt und vorgekocht, als wäre die letzt kaiserliche Armee eingeladen. Hier in der Provinz Hubei sind das vor allem JiaoZi. JiaoZi sind Teigtaschen mit den unterschiedlichsten Füllungen: Gemüse, Pilze, Fisch, Fleisch, Krabben oder auch Mixturen aus den genannten Zutaten. Sehr lecker und gesund. Ich war bei meiner chinesischen Bekannten Helen eingeladen. Da dieses chinesische Neujahr mit großer Wahrscheinlichkeit das letzte ist, dass ich vor Ort erlebe, war sie der Meinung, ich könne nicht drei Jahre in China gelebt haben, ohne zusammen mit einer chinesischen Familie das neue chinesische Jahr zu begrüßen. Also habe ich die Einladung gern angenommen. Als ich gegen 18:00 Uhr eintraf waren die zwei jüngeren Frauen in der Küche mit den Vorbereitungen für das große Mahl beschäftigt. Neben Helen und ihrem Sohn waren noch ihr Bruder nebst Ehefrau und 4-jähriger Tochter und ihre Mutter anwesend. Und dann wurde aufgetafelt. Der Tisch war natürlich nicht groß genug. Eine Unmenge von Speisen, frisch zubereitet und sehr schmackhaft, wurden aufgetragen. Angestoßen wurde mit Rotwein, aber das wohl nur, weil ein Ausländer die Runde beehrte. Ansonsten wird in Helens Familie sehr wenig Alkohol getrunken. Nach dem ausgiebigen Essen, das sich fast bis 21:00 Uhr hinzog, wurden die übrig gebliebenen Speisen in die Küche gebracht und man machte es sich vor dem Fernseher bequem. Auf (fast) allen chinesischen Kanälen lief die nationale Neujahrsshow, auf CCTV9, dem internatioanalen Kanal des chinesischen Fernsehens, sogar mit englischen O-Ton bzw. mit Untertiteln. Die Show zu beschreiben ist gar nicht so einfach, eine Mischung aus Revue, Sketchen, Volkstänzen und immer wieder mit Einlagen, die den Nationalstolz der Chinesen anheizen. So zum Beispiel ein Bericht über die Neujahrsfeiern im Erdbebebengebiet von Sichuan oder eine Reportage über den chinesischen Weltraumflug. Und natürlich sind die Taikonauten auch live in der Show aufgetreten. Vor dem Fernseher wurde Obst gegessen und die Männer gönnten sich einige kleine "White liqueur", wie die Chinesen ihren weissen Schnaps nennen. Einen Höhepunkt vor dem Jahreswechsel war natürlich das gegenseitige Überreichen kleiner Geschenke. Geldgeschenke sind vor allem für Kinder nicht unüblich und werden in obligatorischen roten Umschlägen überreicht. Fast peinlich sind oft die Szenen, die sich abspielen, wenn ein Geschenk erst abgelehnt wird und dann mit großer Überredungskunst doch an den Mann (oder die Frau) gebracht wird. Zwischendurch sind wir vor das Haus gegangen und haben eine dieser fürchterlichen riesigen Knallfrosch-Schlangen gezündet, die fast 5 Minuten einen ungeheuerlichen Lärm machen. Und es gab noch einen anderen Höhepunkt vor Mitternacht: Der ausländische Freund hatte einen selbstgemachten Kekskuchen (oder auch kalter Hund) mitgebracht. Das war nicht nur etwas besonderes, weil er so süß war und nach Schokolade schmeckte, sondern weil es für die meisten chinesischen Frauen unvorstellbar ist, dass ein Mann einen Kuchen zubereitet. Also habe ich die Ehre des deutschen Mannes gerettet! Um Mitternacht wurde dann mit Rotwein angestoßen und alle wünschten sich für das neue Jahr alles Gute, wie halt in Deutschland zu Silvester. Kurz danach ging das große Knallen los. Was einige Chinesen da so in die Luft ballern ist schon bemerkenswert. Da gibt es ganze Batterien von Raketen wie Geschosswerfer, aus denen im Sekundentakt die Raketen aufsteigen und eindrucksvolle Effekte hervorbringen. Wir sind auf das Dach des Hauses gestiegen und hatten so einen wundervollen Blick auf Wuhan in der chinesischen Neujahrsnacht. Zurück in der Wohnung wurde noch ein bischen getrunken und weiter die Fernsehshow verfolgt, bis ich mich gegen 1 Uhr auf den Heinweg machte. Und wider Erwarten bekam ich schnell ein Taxi und war ruck zuck in meinem Apartment. Heute konnte ich ja Gott sei Dank ausschlafen. Am Samstag hatten wir gearbeitet und dafür am "Neujahrstag" frei. Alles in allem also ein netter Abend und eine interessante Erfahrung.
1 Comments:
At 9:54 PM, Januar 30, 2009,
Anonym said…
Beim nächsten Treffen möchten wir von dir auch eine kalte Schnauze, auch bekannt als Kekskuchen, "gebacken" bekommen. :-)
Gruß aus Westfalen.
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